Freitag, 10 Januar 2020 14:39

Artikel: Rentenmarkt

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Der Rentenmarkt (auch Obligationenmarkt oder Anleihenmarkt, englisch Bond market) ist ein Segment des Kapitalmarktes, auf dem verzinsliche Wertpapiere und Teilschuldverschreibungen, die so genannten Rentenpapiere, gehandelt werden. Der Schuldner (Emittent) erhält am Primärmarkt (primary market) von den Gläubigern, im Austausch gegen Schuldverschreibungen (Bonds), befristet Kapital. Die emittierten Papiere können im Sekundärmarkt (secondary market) weiterverkauft werden. Die Handelsvolumen von Anleihen auf dem internationalen Rentenmarkt sind im nominalen Vergleich zum Aktienmarkt deutlich höher.

Geschichte

Staatliche Schuldverschreibungen wurden zuerst im Norditalien des 13. und 14. Jahrhunderts gehandelt. Die Geschäfte wurden allerdings zwischen Einzelpersonen und noch nicht an Märkten abgewickelt. Rentenpapiere dienten seit der Frühen Neuzeit zwei Funktionen: neben der langfristigen Refinanzierung zusätzlich der Beschaffung von Kapital mit kurzen Rückzahlungsfristen für Staaten und Handel. Durch die kurzfristige Nachfrage ausgelöste saisonale Schwankungen der Bondmärkte resultieren wahrscheinlich aus Unterentwicklung des Geldmarkts.

Die ersten liquiden Rentenmärkte entstanden in Amsterdam und London. Amsterdam etablierte sich nach 1585, bedingt durch die Übersiedlung von calvinistischen Kaufleuten nach der spanischen Eroberung Antwerpens, als europäisches Finanzzentrum. Die Gründung der Vereinigten Ostindischen Kompanie 1602 ließ den Bedarf an Finanzmitteln für den Seehandel stark wachsen. Die Gesellschaft brach mit den bestehenden Finanzierungsmethoden und gab neben Anleihen als erste Aktien aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der internationale Seehandel zumeist mittels mittelfristiger Schuldverschreibungen, die durch die Ladung der Handelsschiffe abgesichert waren, refinanziert. Die niederländische Metropole konnte die Vormachtstellung als wichtigster Kapitalmarkt bis weit in das 18. Jahrhundert hinein behaupten und beeinflusste den Aufstieg Londons.

In der britischen Hauptstadt wuchs nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs 1763 das Handelsvolumen des kurzfristigen Geldmarkts stark an und profitierte von der dann einsetzenden Industrialisierung Englands und einem gestiegenen Finanzbedarf des Staates während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs.

Begünstigt durch die Bemühungen die Verheerungen des Sezessionskriegs (1861–1865) zu beheben (Reconstruction), entwickelte sich in den USA ab den 1870er Jahren ein nationaler, durch Bankmonopole beherrschter, Kapitalmarkt. Auf diesem wurden neben Staatsobligationen vor allem Unternehmensanleihen von Eisenbahngesellschaften gehandelt.

Auf den Rentenmärkten der Weimarer Republik kam es ab 1927 zu Verwerfungen aufgrund der strukturellen Schwäche der deutschen Volkswirtschaft und verfehlter Fiskalpolitik. Der Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 belastete vor allem die kurzfristigen Obligationsmärkte in Deutschland und den USA massiv.

Die interventionistische Kapitalmarktpolitik der Nazidiktatur im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 führte dazu, dass deutsche Staatsanleihen in diesem Zeitraum in Schweizer Franken an der Schweizer Börse gehandelt wurden. Nach der Annexion Österreichs kamen die Anleihen des zu diesem Zeitpunkt nicht existenten Alpenstaates hinzu. Die Rentenindices zeigten einen gegensätzlichen Verlauf und bildeten den Kriegsverlauf gegensätzlich ab. Deutsche Obligationen verloren im Schweizer Handel bei Kriegsausbruch (1. September 1939) 38,7 % und während der russischen Stalingradoffensive 6,5 %. Die Konferenz von Jalta führte zu Verlusten von 34 %. Die österreichischen Wertpapiere verloren durch die Auflösung des Staates massiv, konnten sich jedoch ab 1943 vom Trend der deutschen Papiere lösen, weil Marktteilnehmer mit einer Wiedergründung Österreichs nach der Niederlage des Deutschen Reichs rechneten. Diese Anleihen profitierten also von den militärischen und politischen Ereignissen.

 

Marktstruktur

Die Struktur der Rentenmärkte ist stark segmentiert. Dies liegt an unterschiedlichen staatlichen Regelungen für (inter-)nationale, regionale und kommunale Märkte und der exakten Festlegung der Vertragsbedingungen bei jeder Neuausgabe dieser Wertpapiere. Für zusätzliche Intransparenz sorgt, dass die meisten Papiere außerbörslich gehandelt werden. Mittels unendlich-dimensionaler stochastischer Modelle wird in der wissenschaftlichen Literatur versucht, die Struktur der Zinsraten zu analysieren. Der Unternehmensobligationshandel reagiert auf relevante Marktinformationen ebenso wie die Aktienmärkte. Es besteht eine kurzfristige Korrelation zwischen den Märkten bei Liquidität und Volatilität.

Die wichtigsten internationalen Rentenmärkte sind die für Staatsanleihen Deutschlands, Japans, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten. Das US-amerikanische Segment ist im internationalen wie inneramerikanischen Vergleich das größte Kapitalmarktsegment und stellte 1999 bei einem Handelsvolumen von 16.227 Mrd. US-Dollar rund 50 % aller U.S.-Kapitalanlagen. 2008 waren es 33.490 Mrd. US-Dollar.

Der globale Anleihenmarkt wuchs in den 1980er und 1990er Jahren durch die Expansion des Segments für Unternehmensanleihen stark an und betrug 2005 31 Billionen US-Dollar. Das entsprach 98 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Von den Papieren der Hauptmärkte abzugrenzen sind Papiere von – gemessen an der Wirtschaftsleistung – sehr kleinen Industriestaaten, Schwellenländern (Emerging Markets) und Entwicklungsländern. Diese Staaten verschulden sich oft in Fremdwährungen und müssen teilweise deutlich höhere Zinsen bieten, um ihren Finanzbedarf decken zu können.

Die ASEAN-Staaten haben beispielsweise eine sehr unterschiedliche Marktstruktur. Während Singapur über einen globalisierten Bondmarkt verfügt, haben die meisten anderen Mitglieder stark defizitäre Strukturen. Brunei verfügt über keinen eigenen Handelsplatz und ist gänzlich auf die Märkte anderer Staaten angewiesen. Die Rentenmärkte in sich entwickelnden Ländern reagieren zudem auf politische Ereignisse wie Präsidentschaftswahlen. Brasilien musste nach der Wahl von Luiz Inácio Lula da Silva 2002 Zinsaufschläge hinnehmen, weil die Händler eine Verschlechterung des wirtschaftlichen Umfelds erwarteten.

Festverzinsliche Titel lassen sich zudem in verbriefte und unverbriefte Instrumente unterteilen. Zu den verbrieften Titeln gehören Urkunden (Einzel- sowie Sammelurkunden). Unverbriefte Titel umfassen Schuldbuchforderungen (Einzel- und Sammelschuldbuchforderungen) und Darlehensverträge (Schuldscheine). Die Kursentwicklung des Rentenmarktes wird mit Rentenindices gemessen. Der führende Rentenindex in Deutschland ist der Deutsche Rentenindex.

 

 

Quelle: Rentenmarkt - Wikipedia – Die freie Enzyklopädie

Gelesen 3448 mal Letzte Änderung am Freitag, 10 Januar 2020 15:01

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